Feindschaften
Am 20. Juli 1809 – bereits in München weilend – nahm sich Joseph von Hörmann einen anonymen Zeitungsartikel von Joseph von Hormayr über das Verhalten der bayerischen Soldaten bei den Kämpfen anfangs Mai im Tiroler Unterland vor, druckte ihn ab und versah ihn mit Fußnoten, in denen er auf die einzelnen Aussagen reagierte.
Einleitend charakterisierte er den Schreiber:
Der Groll, den der Herausgeber des österreichischen Plutarchs nur mühsam und nicht immer verbiß, brach nun offen aus in den Aufrufen, Zeitungsartikeln und Druckschriften, die entweder unter seiner Namens-Unterschrift erschienen, oder sich doch durch die ewige Wiederkehr seiner Lieblings-Ausdrücke und Lieblingswendungen als Geburten seiner Feder bezeichneten. Mochte nun das Verschmähen früher gemachter Anerbietungen die politische, oder die Gleichgültigkeit, mit der wir Baiern den Roman aufnahmen, welchem er den Titel einer ‚Geschichte der gefürsteten Grafschaft Tirol‘ gab, die gelehrte Eitelkeit des eingebildeten Menschen beleidiget haben, die Wuth, mit welcher er uns und unsere Regierung anfiel, findet nur in den Schriften der rasendsten Jakobiner des Jahres 1793 ein Gegenstück. Unter diesen Schriften, – welche, als merkwürdige Züge in dem Karakter des gegenwärtigen Krieges, dem Verfasser eine Unsterblichkeit seines Nahmens verschaffen werden, wie sie ihm seine übrigen Geistes-Produkte schwerlich verschafft haben würden, – zeichnet sich vorzüglich jene aus, die nach dem zweiten Ausbruche der Insurrekzion in der Gestalt eines Zeitungsblattes erschien. ([Hörmann], Betragen der königlich-Baierischen Truppen, S. 8f.)
Im selben Artikel hatte wiederum Hormayr Seitenhiebe auf die Druckschriften Hörmanns angebracht. Er setzte die zunächst beschriebenen Ausschreitungen der bayerischen Soldaten sarkastisch mit einer Aussage mehrerer Druckschriften in Verbindung, daß der Bayer des Tirolers Bruder sey. Hörmann bezog dies auch folgerichtig auf sich und kommentierte dazu in der Fußnote: Damit soll wohl ‚der Sammler für Geschichte und Statistik von Tirol‘ gemeint seyn, dessen erster Aufsaz mit einer solchen Stelle endet. – Dieses wurde freilich mit Wünschen und Hofnungen geschrieben, deren Erfüllung mit jedem Tage mehr reifte! ([Hörmann], Betragen, S. 22, Anm. 9)
Die Feindschaft zwischen dem österreichischen Intendanten Joseph von Hormayr und Andreas Hofer bzw. dem Finanzrat Joseph Rapp ist bereits zur Genüge bekannt und sehr gut zusammengefasst in Hans von Voltelinis Forschungen und Beiträge (S. 134f.) nachzulesen. Vergleicht man die Publikationen – Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, Flugblätter, kleine Schriften – der Jahre 1809 und 1810, dann tritt noch ein anderer Streit hervor: ein erbitterter Propagandakampf zwischen zwei Parteien – der bayerischen, vertreten durch Hörmann, und der österreichischen in der Person Hormayrs. Beide Akteure traten dabei weitgehend anonym auf. Doch den ZeitgenossInnen schien klar gewesen zu sein, wer für welche Publikationen verantwortlich zeichnete. Sie attackierten sich nicht mit Namen, jedoch waren die Umschreibungen zu deutlich, um nicht erkannt zu werden.
Erst die Einträge im Tagebuch von Andreas von Dipauli, der Hörmann in seinen Ansichten sehr nahe gestanden haben dürfte, zeigen noch einen tieferen, über die politische Anschauung hinausgehenden Grund für diese Feindschaft oder zumindest eine weitere Begleiterscheinung. Dipaulis Freund u. Collega Hörmann sei am 20. April informiert worden über die Gefangennahme seines Sohnes, die auf Befehl Hormayrs erfolgt war. Und Dipauli fügte hinzu: Man stelle sich die Bestürzung des Vaters vor. (Tagebuch Dipauli, p. 21v)
Selbst als die meisten der gefangenen Beamten wieder freigelassen worden waren, blieb Hörmanns Sohn auf Hormayrs Geheiß immer noch arretiert. Schließlich wurde Anton von Hörmann mit allen anderen in der Zwischenzeit festgenommenen höheren bayerischen Beamten nach Klagenfurt geführt. Dipauli vermerkte dazu in seinem Tagebuch, dass die von Hormayr erteilte Bewilligung, dass Hörmanns Sohn zu seinem Vater nach Innsbruck kommen dürfe, zu spät eingelangt sei.
Ellinor Forster
Quellen und Literatur
– [Joseph von Hörmann], Ueber das Betragen der königlich-Baierischen Truppen im Inn-Kreise (Materialien zur Geschichte des Oesterreichischen Revoluzionirungs-Systems, II. Heft), Nürnberg 1809.
– Wolfgang Meighörner, Das Tagebuch des Appellationsrates Andreas Alois Baron di Pauli von Treuheim, in: ders. (Hg.), Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen 2008, Innsbruck 2008, 204-329.
– Hans von Voltelini, Forschungen und Beiträge zur Geschichte des Tiroler Aufstandes im Jahre 1809, Gotha 1909.