Pater Joachim Haspinger, das „Gespenst“ von 1809
Der „Rotbart“ Joachim Haspinger (1776-1858) – aufgrund seiner roten Haare wurde er so genannt – agierte als einer der führenden Kommandanten im Aufstand von 1809 und zählt in der Erinnerungskultur neben Andreas Hofer und Josef Speckbacher zum bekanntesten Akteur von 1809.
Durch seine kämpferischen Einsätze in der „Sachenklemme“ und auf dem Bergisel und den Eindruck, den er dadurch hinterließ, genoss der Pater bereits im Aufstandsjahr ein „mythisches“ Ansehen. Ein rothaariger Kapuzinerpater, der in seiner braunen Kutte bei Kämpfen ständig vor Ort ist und mit erhobenem Kreuz energischen Einsatz zeigt, ist schlussendlich keine alltägliche Erscheinung. Jahrzehnte später (bis in die Gegenwart) festigte sich die Darstellung Haspingers mit erhobenen Kreuz, wie er die Tiroler zum Kampf anfeuert, wie die Abbildung zum Beitrag (19. Jahrhundert) darstellt.
Im September 1809 rückte der „kriegerische“ Geistliche zusammen mit Josef Speckbacher und Anton Wallner nach Salzburg aus, um dort den Feind zu verfolgen und strategisch wichtige Punkte wie den Pass Lueg zu besetzen. Aus dieser Zeit ist die umfangreichste zeitgenössische Beschreibung des „Rotbartes“ bekannt. Johann Thurnwalder aus St. Leonhard/Passeier, ein Schütze unter Haspinger, beschreibt den Pater im Vorfeld der Erstürmung von Pass Lueg (25. September) in seinen Tagebüchern tief beeindruckt. So sei der Geistliche ein schöner, großer Mann, strotzern von Gesundheit und Kraft. Er war gewöhnlich in seiner Kutte zu Pferd und ritt auf seinem Fuchs wie ein Gespenst hin und her mit dem Rosenkranz angethan. Er besas bei uns blindes Vertrauen, und machte mit seinem rothen, langen Bart überall Aufsehen.
Bei einer Aufstellung von Schützenkompanien in der Nähe des Pass Lueg gab Haspinger nach einer kurzen Predigt die Absolution. Thurnwalder schreibt darüber:
Diese Predigt, sowie seine Generalabsolution machten einen tiefen Eindruck. Niemand zweifelte daran, dass, sowie ihn eine Kugel hinstreckte, er nicht das ewige Leben erhalten sollte und Rothbart wurde mit unbeschreiblicher Begeisterung begleitet. Nach beendigter Predigt verschwand er auf seinem Fuchs blitzschnell; ich sah ihn nie anders als im Galopp einhersprengen. (Tagebücher des Johann Thurnwalder, Archiv Museum Passeier.)
Die positive Sicht hatte aber auch eine Kehrseite: Haspinger musste wegen seines energischen Einsatzes und kriegerischem Handeln als Kapuziner – die Ordensregel verbot dies – vor allem von Josef Daney Kritik einstecken. Der Priester, der seine Erinnerungen 1814 fertig stellte, bezeichnete Haspinger mitunter als Auswürfling der Menschheit (Blaas, Daney, S. 19, Anmerkung 49.) Trotzdem überwog der positive Eindruck von Haspingers Handeln im Aufstand von 1809. Diesen wusste Haspinger noch Jahrzehnte später für sich zu nutzen. In den 1840er-Jahren schrieb er in mehreren Erinnerungsstücken, dass für ihn keine Kugel gegossen sei. So machte er sich rückblickend auf 1809 selbst „unsterblich“. Zu seinem „Heldenstatus“ trugen zusätzlich sein Einsatz als Feldpater einer Wiener Studentenkompanie im Revolutionsjahr 1848 und die Biographie von Anton von Schallhammer (1856) bei. Auch die Tatsache, dass der Pater ab den 1850er-Jahren in historiographischen Werken als der Schuldige an der (aussichtslosen) Fortsetzung des Aufstandes im Herbst 1809 und auch am darauf folgenden Unglück gesehen wurde, kratzte zunächst nur wenig an seinem Ansehen.
Manfred Schwarz
Quellen und Literatur
– Mecedes Blaas (Hrsg.), Der Aufstand der Tiroler gegen die bayrische Regierung 1809. Nach den Aufzeichnungen des Zeitgenossen Josef Daney (Schlern-Schriften 328), Innsbruck 2005.
– Fritz Hörmann/Friederike Zaisberger (Hrsg.), Frieden – Schützen, 1809 – 2009. Franzosenkriege im Dreiländereck Bayern ∙ Salzburg ∙ Tirol 1792-1816, Ainring 2009.
– Anton von Schallhammer: Biographie des Tiroler Heldenpriesters Joachim Haspinger, Salzburg 1856. – Manfred Schwarz/Benedikt Burger (Hrsg.), (Pater) Joachim Haspinger. Der kriegerische Kapuziner 1809 und der heimatferne Weltgeistliche, Brixen 2009.