19. bis 25. Okt.

Befehlsverweigerung

Niemand Geringerem als dem Erzherzog Johann, dem Bruder des Kaisers von Österreich, verweigerte Anton von Roschmann (1777-1830) den Befehl. Von Kaiser Franz I. erst am 15. September zum Oberlandes- und Armeekommissär für Tirol eingesetzt, sollte er, am 10. Oktober gerade in Tirol (Lienz) eingetroffen, das Land auch schon wieder verlassen.

In einem an den Erzherzog adressierten Bericht, geschrieben am 23. Oktober in Sterzing, erklärt der gebürtige Innsbrucker, warum er diesem höchsten Befehle nicht gehorchen kann:

Als ich eben heute Nacht mit dem Sandwirthe zur Regulierung des Aufgebothes, wegen Besetzung der aus Unterinthal führenden Seitenthäler, und überhaupt wegen Versicherung des Brenners und der Position bey Schabs in Steinach war, erhielt ich ein Schreiben durch den Courier Planner des Herrn … Baron Kerpen, welches mir mit dünnen Worten den Befehl Sr. kaiserl. Hoheit des Erzherzogs Johann mich also gleich zu Höchst demselben zurück zu begeben anzeigt.
Ich übersehe zwar die Verhältnisse der Zeit aus diesem höchsten Befehle, allein es ist nun einmahl für mich schon zu spät diesem Auftrage nachzukommen, indem es (ich will nicht sagen um mein Leben) zuverlässig aber um die Ehre und den Kredit des Hauses Oesterreich geschehen seyn würde, wenn ich in dem gegenwärtigen Zeitpunkte das Land verliese, ohne demselben über seine Lage und künftige Bestimmung etwas zu sagen.
Ich bleibe also, jedoch ohne in einer öffentlichen Eigenschaft aufzutreten, hier bis Sr. Majestät oder Se kaiserl. Hoheit der Erzherzog Johann eine unmittelbare mit den allerhöchsten Unterschriften versehene Weisung, daß ich mich wegzubegeben und dem Landes dies oder jenes zu eröffnen hätte, mir werden zugesandt haben.
(TLMF, FB 2072).

Wer nun denkt, dass die offene und noch dazu schriftlich festgehaltene Befehlsverweigerung Konsequenzen nach sich ziehen würde, irrt. In seinem Antwortschreiben betont Erzherzog Johann die Klugheit und Umsicht, mit welcher Roschmann gehandelt habe: Ihre beiden Zuschriften vom 23ten und 27ten Oktober sind eingetroffen. Die Art Ihres Benehmens entspricht ganz der Klugheit und Bescheidenheit, die man von Ihnen voraussetzte. (TLMF, FB 2072)

Die folgenden Zeilen des Erzherzogs lassen darüber hinaus auch erkennen, wie rat- und planlos man auf Seiten Österreichs war, wie denn mit Tirol und den Tirolern weiter zu verfahren sei. Denn obwohl spätestens seit dem Frieden von Schönbrunn klar war, dass zwischen Tirol und Österreich keinerlei Beziehungen mehr bestehen würden und Tirol Teil Bayerns bleiben sollte, schreibt Erzherzog Johann an den Intendanten in Tyrol. Er spricht Roschmann somit einerseits mit seinem vom österreichischen Kaiser verliehenen Titel an, womit zumindest formell an die Zeit vor dem Friedensvertrag angeknüpft wird. Andererseits hingegen weiß man in der österreichischen Führung offenbar nicht, was dieser Intendant in Tirol nun tun soll. Als Ausdruck eben dieser Unschlüssigkeit muss daher der Rest des Briefes an Roschmann gelesen werden:

Im Vertrauen auf Ihre Kenntnis und Erfahrung, die Sie von dem so braven Lande haben, hoffet man, Sie werden bei der für Sie so kritischen Lage, sich stets so zu verhalten wissen, daß zugleich Ihr Biedersinn stets im ungestörten Einklang mit jenen des guten Hofers, und der übrigen biederen Tyroler dergestalt wirken wird, dass die Würde unseres Kaisers auf keinen Falle gefährdet werde.

Roschmann kam jedoch nicht mehr in die Verlegenheit, die Zeilen des Erzherzog interpretieren zu müssen, denn er hatte Tirol bereits Anfang November wieder Richtung Wien verlassen; (Hirn, Erhebung, S. 812) und zwar ganz ohne unmittelbare mit den allerhöchsten Unterschriften versehene Weisung.

Peter Andorfer

Quellen und Literatur:

– Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909.
– TLMF, FB 2072, Bericht Anton von Roschmann an Erzherzog Johann, Sterzing, 23. Oktober 1809.
– TLMF, FB 2072, Brief Erzherzog Johann an Anton von Roschmann, Keszthely, 6. November 1809.