Die Idee hinter der Buchreihe EEB
Um den angestrebten Dialog zwischen Öffentlichkeit und Geschichtswissenschaft konkret umzusetzen, schien dem wissenschaftlichen Vorstand des Zentrums für Erinnerungskultur und Geschichte (ZEG) die Gründung einer Buchreihe der geeignetste Weg. Der Titel der Reihe „Erfahren – Erinnern – Bewahren“ soll dabei die Beweggründe und Zielsetzungen schlagwortartig verdichten: Individuen unterschiedlichster sozialer Milieus erleben, erleiden (und gestalten) tagtäglich mehr oder weniger bewusst Geschichte; in Zeiten besonders intensiver Ausgesetztheit einem Geschehen gegenüber, das scheinbar nicht zu steuern ist, drängen Zeiterfahrungen solcher Art oft ihrerseits nach Ausdruck.
Je nach Schichtzugehörigkeit, Bildung und Gelegenheit im Moment des Erlebens haben Menschen ihre Erlebnisse daher immer wieder aufgezeichnet. Unabhängig davon, ob dieses schriftliche Erinnern zeitlich nahe am Erleben steht oder erst mit einem zeitlichen Abstand im Nachhinein erfolgt, findet allein schon durch das Medium, mit dem Erinnerung festgehalten wird, durch die Sprache, eine Überformung des Erfahrenen statt. Die direkte Erfahrung, das unmittelbare Erleben ist mit dem nächsten Sandkorn, das durchs Stundenglas rieselt, schon verloren. Aber ihr Abdruck im sprachlich geformten Erinnern bleibt erhalten. Geschlechts- und schichtenspezifische Prägungen beeinflussen diese sprachliche Darstellung ebenso wie kulturelle Muster, die durch Erziehung, Bildung und besondere Zeitumstände im Moment des Erinnerns und Schreibens wirksam werden.
Band 9
Die bedeckte Halsgrube. Erinnerungen aus den Jugendjahren einer Südtirolerin
Die bedeckte Halsgrube. Erinnerungen aus den Jugendjahren einer Südtirolerin, herausgegeben, eingeleitet und bearbeitet von Brigitte Mazohl (Erfahren-Erinnern-Bewahren 9), Innsbruck 2021
Universitätsverlag Wagner, 140 Seiten
Hanna Dalvai, verehelichte Goldmann, geboren am 18. Februar 1920 in Salurn an der südlichen Grenze der Provinz Bozen, hat in späteren Jahren als reife Frau ihre Erinnerungen an ihre kargen Kindheits- und Jugendjahre im Südtiroler Unterland (u.a. bei der gestrengen Tante Lora) niedergeschrieben. Sie erzählt anschließend auch von ihren Erfahrungen „fern von daheim” (u.a. als „donna di servizio” in Mailand) und berichtet über ihre abenteuerliche Reise – nach dem Zweiten Weltkrieg – über den Brenner zu ihrem in Österreich lebenden Mann. Dort standen beide allerdings vor dem Nichts und waren gezwungen, fünf Jahre lang in einem Flüchtlingslager in Eichat bei Absam mit ihren inzwischen zwei Kindern zu leben. Über diese schweren Jahre schreibt Hanna Goldmann ebenso eindrucksvoll wie über ihre unsagbare Freude, dann in Innsbruck in der Heilig-Jahr-Siedlung endlich eine Unterkunft zugewiesen bekommen zu haben, wo sie ihr weiteres Leben verbrachte.
Brigitte Mazohl, em. Professorin für Österreichische Geschichte an der Universität Innsbruck, hat diese Texte bearbeitet, mit Fußnoten versehen und im Anhang Auszüge aus zwei Interviews veröffentlicht, die sie im Jahr 2018 mit der damals 98-jährigen Hanna Goldmann geführt hatte.
Band 8
„Wir gehen furchtbar ernsten Zeiten entgegen“
Matthias Egger, „Wir gehen furchtbar ernsten Zeiten entgegen“. Die Tagebuchaufzeichnungen von Markus Graf Spiegelfeld aus den Jahren 1917–1923 (Erfahren-Erinnern-Bewahren 8), Innsbruck 2019
Universitätsverlag Wagner, 312 Seiten
Die vorliegende Edition erschließt einen ebenso außergewöhnlichen wie bemerkenswerten Quellenbestand aus Privatbesitz: Die Tagebücher des ehemaligen Statthalters von Tirol, Markus Graf Spiegelfeld, aus den Jahren 1917 bis 1923. Spiegelfelds Aufzeichnungen eröffnen bislang kaum bekannte Einblicke in den Zerfall der Habsburgermonarchie, die Gründung der Ersten Republik und die unmittelbare Nachkriegszeit. Wahrnehmungen, Ressentiments, Hoffnungen und Ängste eines Angehörigen der alten Eliten der Habsburgermonarchie lassen sich dabei ebenso greifen wie der kriegsbedingte Desillusionierungsprozess. Den Tagebüchern kommt daher keineswegs nur regionalgeschichtliche Relevanz zu, sondern sie halten für die Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg und seinen Folgen auf österreichischer und europäischer Ebene Erkenntnisgewinne bereit.
Abgerundet wird der Band durch eine ausführliche Biografie, den Abdruck einschlägiger Zeitungsartikel, die Spiegelfeld in den Jahren 1917/18 in seiner bevorzugten Tageszeitung, der „Neuen Freien Presse“, veröffentlichte, seine 1922/23 verfassten Charakterskizzen von Kaiser Franz Joseph, Erzherzog Franz Ferdinand und Erzherzog Eugen sowie durch zahlreiche bisher unveröffentlichte Fotografien.
Band 7
Mein Gröden
Oswald Überegger, Mein Gröden. Die Tagebücher der Filomen Prinoth-Moroder (1885–1920) (Erfahren-Erinnern-Bewahren 7), Innsbruck 2018
Universitätsverlag Wagner, 584 Seiten
Das Tagebuch der Arztgattin Filomena Prinoth-Moroder aus St. Ulrich dokumentiert die Lebenswelt des Gröden- und Gadertales über einen ungewöhnlich langen Zeitraum von rund vierzig Jahren. Dabei handelt es sich um eine für die neuere Tiroler Geschichte zentrale Epoche ökonomischer Modernisierung, gesellschaftlicher Differenzierung und politischer Umwälzungen. Die Aufzeichnungen beinhalten eine Fülle von Informationen, die für alltags- und mentalitätsgeschichtliche, aber auch für kulturgeschichtliche und ethnologische Fragestellungen interessant sind. Es spiegeln sich darin Ereignisse und Entwicklungen familiärer und mikrogesellschaftlicher Lebenszusammenhänge innerhalb einer stark katholisch-konservativ geprägten Lebenswelt im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert wider. Zudem gewährt das Tagebuch Einblick in die Berufs-, Lebens- und Freizeitorganisation einer Arztfamilie als Teil des ländlichen Bildungsbürgertums in Kontrast zum bäuerlich geprägten Lebensumfeld. Von besonderem Interesse sind die umfangreichen Einträge über die Zeit des Ersten Weltkriegs. Anschaulich beschreibt Prinoth-Moroder den sich vollziehenden gesellschaftlichen Desillusionierungsprozess, thematisiert die Konfrontation der dörflichen Gesellschaft mit der Mangelwirtschaft des Kriegsstaates und berichtet über den Kriegsalltag am Land.
Band 6
„Nachts hörten wir Hyänen und Schakale heulen.“
Markus Wurzer, „Nachts hörten wir Hyänen und Schakale heulen.“ Das Tagebuch eines Südtirolers aus dem Italienisch-Abessinischen Krieg (Erfahren-Erinnern-Bewahren 6), Innsbruck 2016
Universitätsverlag Wagner, 164 Seiten
Der Sterzinger Bauernsohn Andrä Ralser war 1935 einer von rund 1.200 jungen Südtirolern, die in der faschistischen Ära unter Benito Mussolini in die italienische Armee eingezogen wurden, um am weit entfernten Horn von Afrika am Abessinienfeldzug teilzunehmen. Der Krieg war von zahlreichen Verstößen gegen die Haager Landkriegsordnung geprägt und endete 1936 damit, dass Äthiopien Teil des italienischen Kolonialgebietes in Ostafrika wurde.
Von seinem Kriegseinsatz hinterließ Andrä Ralser ein dichtbeschriebenes Notizbüchlein, in dem er seine Erlebnisse – beginnend mit der Überfahrt von Livorno nach Massaua über den folgenden Aufmarsch in Eritrea bis hin zu den Kämpfen im wilden Hochland Abessiniens – fortlaufend festhielt. Sorgsam von der Familie aufbewahrt, bildet das Tagebuch rund 80 Jahre später eines der wenigen erhalten gebliebenen schriftlichen Selbstzeugnisse von Südtirolern aus dem Abessinienkrieg. Ralser gibt darin tiefe Einblicke in seine Kriegserfahrungen und beschreibt auch, wie er die doppelte Fremdheit, als Europäer in Afrika einerseits und als deutschsprachiger Südtiroler in der italienischen Armee andererseits, wahrnahm.
Band 5
… in Arbeit …
Band 4
Schaufeln – Schubkarren – Stacheldraht
Kurt Scharr (Hg.), Peter Demant – Erinnerungen eines Österreichers an Zwangsarbeitslager und Verbannung in der Sowjetunion (Erfahren-Erinnern-Bewahren 4), Innsbruck 2014
Universitätsverlag Wagner, 211 Seiten
Kurz vor dem Ende des Ersten Weltkriegs wird Peter Demant im August 1918 in Innsbruck geboren. Seine Familie zieht nach Czernowitz, wo er – im mittlerweile rumänischen Cernăuţi – eine glückliche Kindheit und Jugend verbringt. Im Juni 1940 – kurz vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion – gerät er in die Fänge stalinistischer Repression: Er wird aus der von der Roten Armee besetzten Nordbukowina nach Sibirien zur Zwangsarbeit verschleppt. Ein langer und leidvoller Weg durch die Welt des Gulag beginnt. Erst 1958, fünf Jahre nach dem Tod Stalins, endet seine Strafzeit, und Peter Demant – mittlerweile unfreiwillig sowjetischer Staatsbürger geworden – entscheidet sich, als Freier im Hohen Norden, an der Kolyma zu bleiben und dort weitere 20 Jahre als Lastträger zu arbeiten; eine andere Tätigkeit wird ihm als ‚Österreicher‘ nicht anvertraut. 1978 übersiedelt er nach Moskau, wo er 2006 stirbt. Die vorliegende kommentierte Edition umfasst die bislang in deutscher Sprache unveröffentlichten Erinnerungen Peter Demants an seine Jahre als Zwangsarbeiter im Gulag. Zahlreiche Fotographien und Texte aus seinem Nachlass sowie einordnende Beiträge ergänzen dieses Korpus. Die persönlichen Erinnerungen an die Schrecknisse des Gulag, aber auch die bis zuletzt ungebrochene Lebensfreude und der Überlebenswille von Peter Demant gehören in ihrer Unmittelbarkeit zu den Splittern des 20. Jahrhunderts, die aufzulesen, zusammenzusetzen und zu verstehen unsere Aufgabe ist.
Band 3
Wenn Wissenschaft Lebensgrenzen setzt
Corinna Zangerl (Hg.), Die Aufzeichnungen des Innsbrucker Physiologen Ludwig Haberlandt (1885-1932) (Erfahren-Erinnern-Bewahren 3), Innsbruck 2014
Universitätsverlag Wagner, 150 Seiten
Wer war dieser Mann, dessen Bild 1927 durch die europäischen Zeitungen wanderte? Ludwig Haberlandt beschäftigte sich mit der Übertragbarkeit von Nervenimpulsen und der Physiologie des Herzens. Über Nacht bekannt wurde er jedoch mit seinen Versuchsreihen zur hormonalen Sterilisation. Der gebürtige Grazer, seit 1919 als außerordentlicher Professor in Innsbruck tätig, legte mit seinen Forschungen bereits in den 1920er-Jahren den Grundstock zur Entwicklung der Antibabypille. Die politische Radikalisierung dieser Jahre, der wachsende Zulauf zur nationalsozialistischen Ideologie und der damit verbundene Aufschwung der „Rassenbiologie“ erschweren die eindeutige Bewertung der kontrazeptiven Arbeiten Ludwig Haberlandts und stehen einer Anerkennung seiner Leistungen von offizieller Seite bis heute entgegen. Aus rein wissenschaftlicher Sicht sind seine enormen Verdienste auf den Gebieten der Kardiologie, Neurologie und Gynäkologie allerdings unbestritten. Corinna Zangerl stellt den mit 47 Jahren aus dem Leben geschiedenen Wissenschaftler anhand seiner persönlichen Aufzeichnungen vor, stellt ihn aber auch in den familiären Kontext: als Teil dreier Wissenschaftsgenerationen, die Teil einer Funktionselite des 19. bzw. 20. Jahrhunderts waren und den Wandel der bürgerlichen Gesellschaft um 1900 dokumentieren.
Band 2
„Der Krieg kennt kein Erbarmen“
Isabelle Brandauer, „Der Krieg kennt kein Erbarmen.“ Die Tagebücher des Kaiserschützen Erich Mayr (1913–1920) (Erfahren-Erinnern-Bewahren 2), Innsbruck 2013
Universitätsverlag Wagner, 542 Seiten
Es sind einzigartige Dokumente eines österreichisch-ungarischen Soldaten aus der Zeit des Ersten Weltkriegs: vier mit großer Sorgfalt und immensem Detailreichtum verfasste Tagebücher, die zwischen Herbst 1913 und Jänner 1920 geschrieben wurden und die Hoffnungen und Enttäuschungen, die Sorgen und Ängste eines jungen Tirolers vom III. Kaiserschützenregiment wiedergeben, der an den Brennpunkten des Ersten Weltkriegs eingesetzt war: in Galizien, in den Karpaten, am Isonzo und an der Tiroler Front. Erich Mayr aus Brixen ist vor dem Krieg als Staatsbeamter in Innsbruck tätig. Der Kriegseinsatz prägt den sensiblen Soldaten, die anfänglich optimistische Einstellung, genährt durch die sichere Erwartung eines raschen positiven Kriegsausgangs, weicht bald einer illusionslosen, nüchtern-kritischen Haltung. Von besonderem Wert sind die Aufzeichnungen, die Mayr in der französischen Kriegsgefangenschaft verfasst. Als er im Jänner 1920 endlich nach Hause kommt, leidet er an einer schweren Rippenfellentzündung und an Lungentuberkulose, ist nur noch vermindert erwerbsfähig und in einer prekären wirtschaftlichen Lage. Isabelle Brandauer hat die Tagebuchaufzeichnungen Erich Mayrs, illustriert durch zahlreiche Skizzen, die der begabte Zeichner an seinen Einsatzorten angefertigt hat, ediert, in den größeren biographisch-historischen Kontext gestellt und kommentiert.
Band 1
„Für Gott, Kaiser und Vaterland zu Stehen oder zu Fallen…“
Matthias Egger, „Für Gott, Kaiser und Vaterland zu Stehen oder zu Fallen…” Die Aufzeichnungen Joseph Hundeggers aus dem Jahr 1848 (Erfahren-Erinnern-Bewahren 1), Innsbruck 2012.
Universitätsverlag Wagner, 376 Seiten
Während in Paris, Berlin oder Wien 1848 die Studenten auf die Barrikaden stiegen, zogen über 300 Innsbrucker Studierende „für Gott, Kaiser und Vaterland“ ins Feld. Die anfängliche Begeisterung für die Revolution war hier rasch von einer reaktionär-radikalen Gesinnung abgelöst worden. Matthias Egger ediert die Aufzeichnungen eines Innsbrucker Jusstudenten, der als Mitglied der I. Akademischen Kompanie ins Feld zog: Joseph Hundegger (1823–1896) begann am 18. März 1848, jenem Tag, an dem die neue Verfassung in Innsbruck kundgemacht wurde, ein Tagebuch zu führen. Vom 24. April bis zum 25. Juni beteiligte sich der junge Student an der Tiroler Landesverteidigung. Während dieser Zeit notierte er seine Erlebnisse in Briefen, die ebenfalls erhalten geblieben sind. Hundegger beschreibt die Bewaffnung und Uniformierung der Schützen und schildert zahlreiche Patrouillengänge und Scharmützel mit „Freischärlern“; er reflektiert aber auch seine Erfahrungen mit Krieg, Verwundung und Tod.