Ergebnisse eines Bachelorseminars an der Universität Innsbruck
in Kooperation mit dem Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
Wintersemester 2019/20
Leiterin: Ass.-Prof.in Dr.in Ellinor Forster
Die Studierenden Anna Benedetti, Dominik Heis, Eva Knabl, Sarah Petutschnig und Raphaela Wild haben im Wintersemester 2019/20 die Herausforderung angenommen, anhand eines Objekts aus dem Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Geschichte zu schreiben. Dabei ging es darum, zunächst den Blick auf einen Gegenstand zu richten, um anschließend durch dieses Objekt hindurch breitere historische Kontexte zu erforschen.
Im Hintergrund dieser Überlegungen steht der Forschungsansatz der Materiellen Kultur, der es sich zur Aufgabe macht, Objekte in ihrer Stofflichkeit ernst zu nehmen und nach der Wirkung der Dinge zu fragen. Ein Gegenstand bündelt gleichsam die mit ihm verbundene Geschichte und ermöglicht damit Einblicke in größere historische Zusammenhänge.
Alle Studierenden folgten dem Weg ihres ausgewählten Objekts vom aktuellen Standort im Museum zurück über den Zeitpunkt des Erwerbs an seinen Ursprungsort. Dabei ergaben sich Fragen, wann und warum dieser Gegenstand so interessant wurde, dass er musealisiert werden sollte. Welche Geschichte ließ sich damit im Museum erzählen, was konnte darauf projiziert werden? Die zurückgelegten „Weg- und Zeitstrecken“ erwiesen sich unterschiedlich lang – sie reichten über das 19. ins 16. Jahrhundert, meist aber in die Vor- und Frühzeit zurück. Vielfach rückten dabei Fragen eines Tiroler Selbstverständnisses zu unterschiedlichen Zeitpunkten in den Fokus. In fast allen Fällen streiften die Objektgeschichten in der einen oder anderen Weise auch die nationalsozialistische Vergangenheit des Landes Tirol.
Dominik Heis
Der Mörser von 1506 – vom Gebrauchsgegenstand zum „nationalen Schatz“ des 20. Jahrhunderts?
Im Mittelpunkt dieser Analyse steht ein Bronzemörser aus der Dauerausstellung des Museums, der vor Ort recht wenig von sich preisgibt. Die Bezeichnung „Mörser“, das Herstellungsjahr 1506 und der Ort Innsbruck sowie das Material Bronze und schließlich der vermutete Hersteller Peter Löffler ist alles an Information, die Besucher*innen erfahren. Was war so interessant an diesem Objekt, dass es den Weg in eine Ausstellung gefunden hat? Dieser Transformationsprozess von einem Gebrauchsgegenstand zum Ausstellungsstück steht hier im Fokus. Dabei führt uns das Jahr 1939 zunächst zurück zum Zweiten Weltkrieg. In einem zweiten Schritt geht es um die Bedeutungszuschreibungen innerhalb des Museums.
Anna Benedetti
Der Umgang mit Swastikafibeln zwischen Ausgrabung und Ausstellung
Wenn man den Begriff „Hakenkreuz“ hört oder liest, löst das in unseren Köpfen meist eine Verbindung zum Nationalsozialismus aus. Ersetzt man das Wort hingegen mit dem Begriff „Swastika“, sieht es anders aus – wohl weil außerhalb des Berufsfeldes der Geschichtswissenschaft und Kunstwissenschaft nicht alle mit diesem Terminus vertraut sind. Die Wenigsten wissen, dass es sich hierbei nur um ein Synonym für den Begriff „Hakenkreuz“ handelt und die eigentliche Bedeutung nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun hat, da die Swastika bereits seit den frühen Hochkulturen in Erscheinung trat und ursprünglich eine positive Bedeutung hatte. Auch im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum sind in der Dauerausstellung der Archäologie zwei römische Swastikafibeln zu finden. Jene Hakenkreuzfibel, die man im ausgehenden 19. Jahrhundert bei Ausgrabungen in Pfaffenhofen entdeckte, soll hier im Mittelpunkt stehen. Nachgezeichnet wird der Weg von der Ausgrabung der Fibel bis zur aktuellen Dauerausstellung, um herauszufinden, ob durch das völkische Denken und den Nationalsozialismus eine Aufwertung der Fibel stattgefunden hat und wie man nach dem Zweiten Weltkrieg mit diesem Objekt umging.
Sarah Petutschnig
Der Lunula-Anhänger aus Salurn als Baustein der Landesidentität zwischen der deutschen und italienischen Sprachgruppe
In den Jahren 1885 und 1886 fand man durch den Abbau von Schotter am Galgenbühel in Salurn ein Gräberfeld mit römischen Altertümern, die auf die Jahre 100 bis 400 nach Christus datiert werden konnten. Mehrere dieser Gräber beinhalteten Lunula-Halsketten – Anhänger in Form eines Sichelmondes. Einer dieser Schmuckgegenstände befindet sich heute im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck und wird nun näher vorgestellt. Die Gemeinde Salurn liegt an der Grenze zwischen Südtirol und dem Trentino, sie stellte also im Süden die letzte deutschsprachige Gemeinde in direkter Nachbarschaft zum italienischsprachigen Tirol dar. Dass die römische Halskette genau in Salurn gefunden worden ist, lässt die Frage nach der Verwendung dieses Schmuckgegenstandes für die Konstruktion einer historischen Landesidentität zu. Zwischen den Sprachgruppen gab es bereits im 19. Jahrhundert – zumindest auf der Ebene der politischen Akteure und Akteurinnen – Spannungen und Anschluss an die nationalen Bewegungen des „Deutschtums“ auf der einen Seite und der „Italianità“ auf der anderen Seite.
Eva Knabl
Das Schwert von Pfaffenhofen als Beispiel für das Wissen um die eigenen Wurzeln
Als man 1949 in Pfaffenhofen im Tiroler Oberland ein neues Gebäude für die Feuerwehr errichten wollte, stieß man auf eine Reihe von Gräbern. Bei der archäologischen Sicherung von 1949 bis 1952 und erneut 1961 konnten insgesamt 30 Gräber freigelegt werden, die sich auf das späte 7. Jahrhundert datieren lassen. In einem der Gräber befand sich ein Langschwert, eine sogenannte Spatha, die, weil sehr spektakulär, als pars pro toto für die gesamten Fundgegenstände im Folgenden im Fokus steht. Mittels Interviews, Analyse von Homepages und deren Wirkung sowie Zeitungsberichten wurde untersucht, welches Wissen die Bevölkerung von Pfaffenhofen von „ihren“ frühmittelalterlichen Funden hat und welche Bedeutung sie dem zumessen, ob diese für sie Identifikationscharakter haben.
Raphaela Wild
„Stillvergnügt“ von Mathias Schmid – die Wahrnehmung eines bäuerlichen Sujets in Tiroler Zeitungen 1879–1885
Während der Tiroler Maler Franz Defregger für seine idyllische Historienmalerei bekannt wurde und Alois Gabl sich mit detailgetreuen, realitäts- und alltagsnahen Schilderungen in seinen Gemälden einen Namen machte, galt der 1835 geborene Mathias Schmid aus See im Paznauntal als kritischer Maler, der sich in seinen Werken hauptsächlich mit den Zeitumständen und kulturellen Konflikten beschäftigte. Alle drei hatten an der Münchner Kunstakademie studiert. Ein Werk von Mathias Schmid wird nun herausgegriffen – das zwischen 1881 und 1882 entstandene Gemälde „Stillvergnügt“, das kurz darauf vom Ferdinandeum erworben wurde – mit Blick auf die Frage, wie identitätsstiftend es im 19. Jahrhundert wahrgenommen wurde.