Wiederherstellung der ständischen „Verfassung“?
Für den 1. Mai 1809 wurde eine Zusammenkunft des Engeren Ausschusses der Tiroler Landschaft nach Brixen einberufen – die jedoch nie stattfand. In den Worten Joseph von Hörmanns 1810: Diese Zusammenkunft war – nirgends, niemals! (Hörmann, Interessante Beyträge, S. 21)
Um den Aufstand gegen eine legitime Regierung zu rechtfertigen, hatte Österreich – vor allem in der Person Joseph von Hormayrs – stets das Argument auf den Lippen geführt, dass Bayern die landständische „Verfassung“ Tirols – die althergebrachte Repräsentation des Adels, Klerus, der Bürger und Bauern im Landtag – entgegen der Bestimmungen im Preßburger Frieden von 1805 aufgehoben habe. Konsequenterweise hätte diese „Verfassung“ also nach erfolgtem Aufstand wieder hergestellt werden müssen.
Die Tiroler Deputierten in Wien hatten im Winter 1809 bereits die Einberufung eines offenen Landtages gefordert. Doch die österreichische Regierung scheute davor zurück – laut Hans von Voltelini aufgrund der Befürchtungen, dass eine solche Versammlung nur schwer lenkbar sei und sie zudem den offenen Landtag von 1790 noch in schlechter Erinnerung hatte. (S. 78) Erzherzog Johann versuchte die Deputierten also mit dem Hinweis, dass Wahlen zu einem Landtag zu viel Zeit in Anspruch nehmen würden, von diesem Gedanken abzubringen und die Deputierten stimmten zu, dass vorerst ein Kongress des Engeren Ausschusses, dessen Mitglieder von der Regierung bestimmt würden, genügen müsse.
Darauf bezog sich auch das Patent Erzherzog Johanns vom 8. April 1809, das von der Wiederherstellung der getreuen vier Stände Tyrols, als: Hoch und Domstifter (Bezirke Trient und Brixen), die Prälaten, – Herren und Ritter, – Städte und Gerichte sprach mit der Einschränkung, dass ein offener Landtag erst in ruhigeren Zeiten stattfinden könne. Neben den aufgelisteten Mitgliedern für den Kongress am 1. Mai 1809 waren als Zugeständnis auch einige gewählte Deputierte vorgesehen, die jedoch nur die Berechtigung hatten, Wünsche vorzubringen.
Die Aufgaben dieses Kongresses wären gewichtige gewesen: Die alte „Verfassung“ sollte wieder eingeführt werden – allerdings mit der Einschränkung: ausser wenn und wo neuere Verfügungen im einzelnen wirklich genützt oder erleichtert haben, ohne dem Ganzen zu schaden (Hormayr, Andreas Hofer2, 1. Bd., 265f.). Daneben ging es um die Verpflegung des Landes, die Geldverhältnisse, Wiederbelebung der Wirtschaft, vor allem aber um die Organisation und Finanzierung der Landesverteidigung.
Da sich der österreichische General Chasteler bei der Organisierung der Landesverteidigung jedoch nicht auf den landständischen Kongress verlassen wollte, sondern aus eigener Machtbefugnis Anordnungen traf, wurden dazu die Stände nicht befragt. Der Intendant Joseph von Hormayr gab gegenüber dem übergeordneten Generalintendant Goes als Erklärung für das Nichtstattfinden des Kongresses an, dass ihn die Stände um eine Verschiebung gebeten hätten – und zwar aus dem Grund, damit er zur bequemeren Unterkunft nicht in Brixen, sondern in Bozen stattfinden könne. Jedoch scheint das nicht sehr glaubhaft. Vielmehr dachte man wahrscheinlich, durch direkte Verordnungen ohne Aushandlung mit den Ständen rascher handeln zu können.
Als Tirol 1816 unter der österreichischen Regierung schließlich eine schriftlich ausgefertigte Verfassung bekam, sah diese nur noch Restkompetenzen der Stände vor.
Ellinor Forster
Quellen und Literatur
– [Joseph von Hormayr], Geschichte Andreas Hofer’s, Sandwirths aus Passeyr, Oberanführers der Tyroler im Kriege von 1809, 2. Bd., 2. umgearb. u. verm. Aufl., Leipzig 1845.
– [Joseph von Hörmann], Interessante Beyträge zu einer Geschichte der Ereignisse in Tyrol vom 10. April 1809 bis zum 20. Februar 1810. Gesammelt und herausgegeben zur unterhaltenden Vergleichung mit andern Nachrichten, Zeitungen und französischen Armee-Tags-Berichten – nebst kurzen Anmerkungen, o. O. 1810.
– Hans von Voltelini, Forschungen und Beiträge zur Geschichte des Tiroler Aufstandes im Jahre 1809, Gotha 1909.